Effektiver Altruismus: ArtikelJuly 17, 202300:21:5315.06 MB

Das wichtigste Jahrhundert: So kann's nicht weitergehen

von Holden Karnofsky

Dieser Beitrag soll zunächst aufzeigen, dass wir nicht nur in einer bemerkenswerten Ära, sondern in einem bemerkenswerten Jahrhundert leben. In früheren Beiträgen zu dieser Textreihe war von der außergewöhnlichen Zukunft die Rede, die uns letzten Endes bevorstehen könnte (vielleicht in 100 Jahren, vielleicht in 100.000 Jahren).

Zusammenfassung:

  • Wir sind daran gewöhnt, dass die Weltwirtschaft Jahr für Jahr um einige Prozent wächst. Das ist seit vielen Generationen so.
  • Und doch ist diese Situation alles andere als gewöhnlich. Betrachten wir die gesamte Menschheitsgeschichte, sehen wir, dass sich das Wachstum zuletzt rapide beschleunigt hat. Tatsächlich nähert es sich seinem historischen Höhepunkt so rasch, dass es in nicht allzu ferner Zukunft zwangsläufig sistieren wird (es gibt nicht genug Atome in der Galaxie, um diese Wachstumsrate auch nur für weitere 10.000 Jahre beizubehalten).
  • Die Welt kann nicht unbegrenzt in diesem Tempo weiterwachsen. Wir sollten uns auf andere Szenarien einstellen: Stagnation (das Wachstum verlangsamt sich oder endet), Explosion (das Wachstum beschleunigt sich noch mehr, bevor es an seine Grenzen stößt) und Zusammenbruch (eine Katastrophe erschüttert die Wirtschaft).

Die Zeit, in der wir leben, ist ungewöhnlich und unstabil. Außergewöhnliche Ereignisse, wie eine Explosion des wirtschaftlichen und wissenschenschaftlichen Fortschritts, bis hin zu technologischer Reife, sollten uns nicht überraschen. Vielmehr läge eine derartige Explosion genau im Trend.

Solange wir uns zurückerinnern können, ist die Weltwirtschaft im Durchschnitt um einige Prozent pro Jahr gewachsen.1 Manche Jahre bringen mehr oder weniger Wachstum als andere, aber insgesamt ist das Wachstum recht konstant.2 Diese Situation möchte ich hier als „normalen Weltenlauf“ bezeichnen.

Im normalen Weltenlauf befindet  sich die Welt in einem Zustand permanenter Veränderung, die zwar spürbar ist, uns aber dennoch erlaubt, mit ihr Schritt zu halten. Diese Veränderung fördert unablässig neue Möglichkeiten und Herausforderungen, aber wenn man sich ein paar Jahre  nimmt, um sich auf das Neue einzustellen, während man seinen Alltag in der gewohnte Weise bestreitet, kann man (persönlich) in der Regel damit leben. Was das alltägliche Leben  betrifft, war 2019 kaum anders als 2018, wahrnehmbar, aber nicht bedeutend anders als 2010 und bedeutend, aber nicht völlig anders als 1980.3

Wenn Dir diese Einschätzung vertraut vorkommt, wenn Du den beschriebenen Zustand als Normalität wahrnimmst und auch in Zukunft mit vergleichbaren Verhältnissen rechnest, dann entspricht Dein Erleben dem normalen Weltenlauf. Denkst Du über Vergangenheit und Zukunft der Weltwirtschaft nach, dann sieht deine Vorstellung in etwa so aus:


Normaler Weltenlauf

Ich lebe in einer anderen Gedankenwelt. Wenn ich mir den Lauf der Weltwirtschaft vorstelle, blicke ich auf eine turbulente Vergangenheit zurück, und in eine Zukunft, die zutiefst ungewiss ist. Der Titel, den ich dieser Gedankenwelt geben möchte, lautet: „So kann’s nicht weitergehen“.  Hier ist meine Version des  Diagramms:

Chart of the world economy starting in about 5000 BC. Unlike the previous chart, it looks very jagged and irregular, with the line getting steeper and steeper over time. Instead of a single dotted line projecting more of the same, I have several dotted lines projecting different possible futures.

So kann’s  nicht weitergehen4

Welches dieser beiden Diagramme bildet unsere Situation am besten ab? Nun, sie verwenden genau dieselben historischen Daten — es ist nur so, dass der „normale Weltenlauf“ im Jahr 1950 beginnt, während „So kann‘s nicht weitergehen“ bis in das Jahr 5000 vor Christus zurückreicht. „So kann's nicht weitergehen“ erzählt die ganze Geschichte; der „normale Weltenlauf“ zeigt lediglich einen winzigen Ausschnitt.

Ein Wachstum von ein paar Prozent pro Jahr ist das, woran wir alle gewöhnt sind. Aber im historischen Kontext ist eine solche Wachstumsrate absolut schwindelerregend. (Im Diagramm finden wir sie in dem Teil, wo die blaue Linie fast senkrecht verläuft.)

Dieses Wachstum dauert schon länger an, als wir uns erinnern können, aber das ist nicht sehr lange — nur ein paar hundert Jahre, ein Bruchteil von Tausenden von Jahren menschlicher Zivilisation. Wir befinden uns in einer Phase rasanter Beschleunigung. So kann’s nicht mehr lange weitergehen. (Ich werde „So kann's nicht mehr lange weitergehen“ präzisieren, siehe unten).

Das erste Diagramm suggeriert Regelmäßigkeit und Vorhersehbarkeit. Das zweite suggeriert Volatilität und dramatisch unterschiedliche Zukunftsszenarien.

Eine mögliche Zukunft ist die Stagnation: Wir werden die „Maximalgröße“ der Wirtschaft erreichen, wonach  das Wachstum im Wesentlichen stoppen wird. Wir alle werden uns den Kopf zerbrechen, wie wir die uns zur Verfügung stehenden Ressourcen aufteilen, und die Zeiten eines stetig wachsenden Kuchens und einer dynamischen Wirtschaft werden für immer vorbei sein.

Ein weiteres Szenario ist die Explosion: Das Wachstum wird sich weiter beschleunigen, bis zu dem Punkt, an dem sich die Weltwirtschaft jedes Jahr, jede Woche oder jede Stunde verdoppelt. Eine dem Duplikator nahekommende Technologie (etwa digitale Personen oder, wie ich in künftigen Beiträgen  darlegen werde, fortgeschrittene KI) könnte ein derartiges Wachstum anstoßen. Die abrupte Veränderung, die mit einer solchen Explosion einhergehen würde, wäre für uns Menschen unmöglich zu verarbeiten.

Ein drittes Szenario ist der Kollaps: Eine globale Katastrophe wird die Zivilisation in die Knie zwingen oder die Menschheit gleich ganz auslöschen und das heutige Wachstumsniveau wird nie wieder erreicht werden.

Oder es geschieht etwas anderes.

Warum kann’s nicht so weitergehen?

Ein guter Ansatzpunkt wäre diese Analyse aus dem Blog Overcoming Bias, die ich hier in meiner eigenen Version darlegen möchte:

  • Sagen wir, die Weltwirtschaft wächst derzeit Jahr für Jahr um 2 %.5 Das bedeutet, dass sie sich etwa alle 35 Jahre verdoppelt.6
  • Wenn das zutrifft, dann wäre die Wirtschaft in 8200 Jahren etwa 3*1070-mal so groß wie heute.
  • Es gibt wahrscheinlich weniger als 1070 Atome in unserer Galaxie,7 deren Grenzen wir innerhalb des Zeitraums von 8200 Jahren nicht überwinden werden.8
  • Wäre nun die Wirtschaft  3*1070-mal größer als heute und könnte nur 1070 (oder weniger) Atome nutzen, müssten wir pro Atom mehrere Volkswirtschaften, von der Größe der heutigen Weltwirtschaft, aufrechterhalten.

8200 Jahre mögen nach einer langen Zeit klingen, aber es ist weit weniger Zeit, als es Menschen gibt. Es ist sogar weniger Zeit, als die menschliche (auf Landwirtschaft beruhende) Zivilisation existiert.

Ist es vorstellbar, dass wir die nötige Technologie entwickeln könnten, um mehrere Äquivalente der gesamten heutigen Zivilisation pro verfügbarem Atom zu unterhalten? Sicher – aber das würde eine radikale Umgestaltung unseres Lebens und unserer Gesellschaft erfordern, ein Maß an Veränderung, das weit über das hinausgeht, was wir im bisherigen Laufe der Menschheitsgeschichte  gesehen haben. Und ich würde nicht gerade darauf wetten, dass sich die Dinge in den nächsten paar tausend Jahren so entwickeln werden. (Update: Für Leute, die noch nicht überzeugt sind, habe ich dieses Argument in einem anderen Beitrag ausführlicher dargelegt.)

Viel wahrscheinlicher ist es wohl, dass uns die neuen wissenschaftlichen Erkenntnisse, die technologischen Innovationen und die Ressourcen „ausgehen“ werden und das Prinzip des „jedes Jahr ein paar Prozent reicher werden“ ein Ende findet. Schließlich ist dieses Prinzip gerade einmal ein paar hundert Jahre alt.

(Dieser Beitrag präsentiert eine ähnliche Analyse, die sich eher auf die Energie als auf die Wirtschaft bezieht. Es wird davon ausgegangen, dass die Grenzen noch früher erreicht werden.  Ausgehend von einer jährlichen Zunahme des Energieverbrauchs von 2,3 % (weniger als die historische Rate für die USA seit dem 16. Jahrhundert) wird geschätzt, dass dadurch innerhalb von 2,500 Jahren so viel Energie verbraucht würde, wie alle Sterne unserer Galaxie gemeinsam zu erzeugen vermögen.9)

Explosion und Kollaps

Eine mögliche Zukunft ist also Stagnation: Das Wachstum verlangsamt sich im Laufe der Zeit und wir landen schließlich in einer Wirtschaft ohne Wachstum. Aber ich halte dieses Szenario nicht für unsere wahrscheinlichste Zukunft.

Das obige Diagramm zeigt nicht, dass sich das Wachstum verlangsamt, sondern dass es sich dramatisch beschleunigt. Was würden wir erwarten, wenn wir dieselbe Beschleunigung einfach nach vorne projizieren würden?

In seinem Bericht Modeling the Human Trajectory versucht  David Roodman von Open Philanthropy eine Kurve an das Muster des historischen Wirtschaftswachstums anzupassen, um genau diese Frage zu beantworten.10 Die Hochrechnung impliziert ein unendliches Wachstum in diesem Jahrhundert. Unendliches Wachstum ist eine mathematische Abstraktion, aber man könnte es auch so deuten: „Wir werden das schnellstmögliche Wachstum erleben, bevor wir an die Grenzen stoßen.“

In Der Duplikator fasse ich eine breitere Diskussion dieser Möglichkeit zusammen. Das Ergebnis ist, dass eine Wachstumsexplosion plausibel wäre, wenn wir die Technologie hätten, den menschlichen Verstand zu „kopieren“ – oder etwas anderes, was denselben Zweck erfüllt, wie etwa Digitale Personen oder eine weit genug fortgeschrittene KI.

Bei einer Wachstumsexplosion könnte die jährliche Wachstumsrate 100% erreichen (d. h. die Weltwirtschaft würde sich jedes Jahr verdoppeln) – was höchstens ~250 Jahre lang so weitergehen könnte, ehe wir an die oben erwähnten Grenzen stoßen.11 Oder wir könnten ein noch schnelleres Wachstum erleben – die Weltwirtschaft könnte sich jeden Monat verdoppeln (was wir höchstens 20 Jahre lang durchhalten könnten, bevor wir an die Grenzen12 stoßen), oder noch schneller.

Das wäre ein wilder Ritt: ein blindwütiges Wachstum, vielleicht angetrieben durch KI, die mehr produziert, als wir Menschen jemals nachvollziehen könnten, und sich schnell den Grenzen des Machbaren nähert, dem Punkt, an dem sich das Wachstum zwangsläufig verlangsamen muss.

Neben Stagnation oder explosionsartigem Wachstum gibt es noch eine dritte Möglichkeit: den Kollaps. Eine globale Katastrophe könnte die Zivilisation so weit zurückwerfen, dass sie ihr heutiges Wachstumsniveau nie wieder erreicht. Das Aussterben des Menschen wäre eine extreme Variante eines solchen Kollaps. Diese Zukunft wird in den Diagrammen nicht angedeutet, aber wir wissen, dass sie möglich ist.

Wie Toby Ord in The Precipice argumentiert, dürften Asteroiden und andere „natürliche“ Risiken wohl kaum die Ursache einer solchen allumfassenden Katastrophe sein, aber es gibt einige Risiken, die ernst und sehr schwer zu quantifizieren sind: Klimawandel, Atomkrieg (insbesondere der nukleare Winter), Pandemien (insbesondere dann, wenn Fortschritte in der Biologie zur Herstellung scheußlicher biologischer Waffen führen) und Risiken durch fortgeschrittene KI. 

Angesichts dieser drei Möglichkeiten (Stagnation, Explosion und Kollaps) gilt:

  • Wir leben in einem der (zwei) wachstumsstärksten Jahrhunderte der Geschichte (20. und 21. Jahrhundert).
  • Es ist wohl wahrscheinlich, dass dies zumindest eines der ~80  wachstumsstärksten Jahrhunderte aller Zeiten sein wird.13
  • Wenn die richtige Technologie auftaucht und explosionsartiges Wachstum vorantreibt, könnte es das am schnellsten wachsende Jahrhundert aller Zeiten werden – mit großem Abstand.
  • Läuft alles schief, könnte es unser letztes Jahrhundert sein.

Es scheint also, dass dies ein ziemlich bemerkenswertes Jahrhundert ist, mit einer gewissen Chance, das bemerkenswerteste zu sein. Dies alles beruht auf eher generellen Beobachtungen, nicht auf detaillierten Überlegungen zur KI (die ich in späteren Beiträgen behandeln werde).

Wissenschaftlicher und technologischer Fortschritt

Es ist schwierig, ein einfaches Diagramm über die Geschwindigkeit des wissenschaftlichen und technologischen Fortschritts zu erstellen, so wie wir es für das Wirtschaftswachstum können. Aber ich denke, wenn wir es könnten, würde es ein weitgehend ähnliches Bild ergeben wie das Diagramm für das Wirtschaftswachstum. 

Ein hübsches Buch, das ich empfehle, ist Isaac Asimovs Chronologie der Wissenschaft und Entdeckung. Es stellt die wichtigsten Erfindungen und Entdeckungen der Menschheitsgeschichte in chronologischer Reihenfolge vor. Zu den ersten Einträgen gehören „Steinwerkzeuge“, „Feuer“, „Religion“ und „Kunst“; auf den letzten Seiten finden sich der „Halleysche Komet“ und „Warme Supraleitung“. 

Interessant an diesem Buch ist, dass 553 der 654 Seiten nach dem Jahr 1500 spielen  obwohl es 4 Millionen vor Christi Geburt beginnt. Ich sage voraus, dass andere Bücher dieser Art ein ähnliches Muster aufweisen werden,14 und ich glaube, dass es in den letzten 500 Jahren tatsächlich mehr wissenschaftliche und technologische Fortschritte gegeben hat als in den Millionen Jahren davor.15

In einem früheren Beitrag habe ich argumentiert, dass sich die wichtigsten Ereignisse in der Geschichte um die Zeit, in der wir leben, zu häufen scheinen, illustriert mit dieser Timeline. Dabei ging es um Zeiträume von Milliarden von Jahren. Wenn wir jedoch auf Tausende von Jahren heranzoomen, sehen wir etwas Ähnliches: Die größten wissenschaftlichen und technologischen Fortschritte sind zeitlich sehr nahe an der Gegenwart angesiedelt. Um dies zu veranschaulichen, hier eine Timeline mit Schwerpunkt auf Verkehr und Energie (ich denke, ich hätte jede beliebige Kategorie wählen können, um ein ähnliches Bild zu erhalten).

Ebenso wie das Wirtschaftswachstum ist auch der wissenschaftliche und technologische Fortschritt im Vergleich zum größten Teil der Geschichte extrem schnell. Wie beim Wirtschaftswachstum gibt es vermutlich auch hier irgendwann Grenzen für die technologische Entwicklung. Und wie beim Wirtschaftswachstum könnte der wissenschaftliche und technologische Fortschritt von nun an:

  • stagnieren, eine Entwicklung, die manchen schon heute Sorgen bereitet. 
  • explodieren, wenn es zur Entwicklung von Technologien käme, welche  schlagartig die Zahl von „Minds“ (Menschen oder Digitale Personen oder fortgeschrittene KI) erhöhen, die den wissenschaftlichen und technologischen Fortschritt vorantreiben würden.16
  • kollabieren infolge einer globalen Katastrophe.

Verkannte Möglichkeiten

Ich denke, es sollte einige Menschen in der Welt geben, die in der Gedankenwelt des „normalen Weltenlaufs“ leben und darüber nachdenken, wie man die Welt verbessern kann, wenn man für die absehbare Zukunft von einer stabilen, regelmäßigen Hintergrundrate des Wirtschaftswachstums ausgeht.

Andere Menschen wiederum sollten die Gedankenwelt des „So kann's nicht weitergehen“ innehaben und über die Folgen von Stagnation, Explosion oder Kollaps nachdenken – und darüber, ob unser Handeln einen Einfluss auf die Wahrscheinlichkeit des einen oder anderen Szenarios nehmen kann. 

Aber heute scheint es, als würden sich diese Weltanschauungen keineswegs die Waage halten, da fast alle Nachrichten und Analysen in der Gedankenwelt des „normalen Weltenlaufs“  angesiedelt sind.

Eine Metapher für meine Gedankenwelt ist, dass ich das Gefühl habe, dass die Welt eine Ansammlung von Menschen in einem Flugzeug ist, das über die Startbahn rast:

Wir bewegen uns viel schneller als normal und vor uns liegt nur noch wenig Startbahn ... und wir werden immer schneller.

Und jedes Mal, wenn ich Kommentare zum Weltgeschehen lese, diskutieren Leute darüber, wie man sich möglichst bequem anschnallt, weil das Anschnallen zum Leben gehört, oder darüber, dass die schönsten Momente im Leben darin bestehen, mit der Familie zusammenzusitzen und die weißen Linien vorbeiziehen zu sehen, oder darüber zu streiten, wer Schuld daran ist, dass man sich über das Dröhnen im Hintergrund kaum gegenseitig versteht.

Wenn ich in dieser Situation wäre und nicht wüsste, was als Nächstes kommt (Abheben), würde ich es nicht unbedingt richtig machen, aber ich hoffe, ich würde zumindest denken: „Diese Situation scheint irgendwie verrückt und ungewöhnlich und vorübergehend zu sein. Entweder beschleunigen wir noch mehr oder wir kommen zum Stehen oder es passiert etwas anderes Merkwürdiges.“

Mein Dank gilt María Gutiérrez Rojas für die Grafiken in diesem Text und Ludwig Schubert für eine frühere Zeitstrahl-Grafik, auf der die Zeitstrahl-Grafik in diesem Text beruht.

1 Wenn Du dir darunter nicht viel vorstellen kannst, kannst Du Dir meine kurze Erklärung zum Wirtschaftswachstum ansehen.

2 Das globale Realwachstum lag im Allgemeinen zwischen leicht negativ und ~7 % pro Jahr.

3 Ich überspringe hier bewusst das Jahr 2020, da es sich aufgrund der weltweiten Pandemie und anderer Dinge außergewöhnlich stark von den vergangenen Jahren unterschied.

4 Für die historischen Daten, siehe Modelling the Human Trajectory. Die Projektionen sind grob und eher als visuelle Anregung gedacht, als dass sie die besten Modellierungsansätze verwenden.

5 Dies bezieht sich auf das reale BIP-Wachstum (inflationsbereinigt). 2 % ist niedriger als das derzeitige Weltwirtschaftswachstum, und die wahre Zahl würde meinen Standpunkt zusätzlich untermauern. Allerdings gehe ich davon aus, dass 2 % ein angemessener Wert für das „Grenzwachstum“ ist, d. h. für das Wachstum in den fortgeschrittensten Volkswirtschaften, im Gegensatz zum weltweiten Gesamtwachstum, das auch das „Aufholwachstum“ umfasst (zuvor arme Länder, die schnell wachsen, wie z. B. China heute).

Um meine Schätzung von 2 % zu überprüfen, habe ich diese US-Daten heruntergeladen und die jährliche Wachstumsrate für die Jahre 2000-2020, 2010-2020 und 2015-2020 untersucht (alle unter Verwendung des Monats Juli, da der Juli der letzte Zeitpunkt für 2020 war). Diese lagen bei jeweils 2,5 %, 2,2 % bzw. 2,05 %.

6 2% Wachstum über 35 Jahre ist (1 + 2%)35 = 2x Wachstum

7 Die höchste in Wikipedia aufgeführte Schätzung für die Masse der Milchstraße beträgt 4,5*1012 Sonnenmassen, von denen jede etwa 2*1030 kg entspricht.

8 Die Masse eines Wasserstoffatoms wird als äquivalent zu 1.67*10-27 kg geschätzt. (Wasserstoffatome haben die geringste Masse, so dass die Gesamtzahl der Atome überschätzt wird, wenn ausschließlich von Wasserstoffatomen ausgeht). Eine hohe Schätzung der Gesamtzahl der Atome in der Milchstraße wäre also (4,5*1012 * 2*1030)/(1,67*10-27) = ~ 5,4*1069.

9 In dem verlinkten Beitrag wird diese Berechnung nicht ganz klar dargestellt. Die Kernaussagen lauten: „Unabhängig von der Technologie müssten wir bei einem anhaltenden Wachstum des  Energiebedarfs von 2,3 % innerhalb von 1400 Jahren so viel Energie produzieren wie die gesamte Sonne“ und „In der Milchstraßengalaxie gibt es etwa 100 Milliarden Sterne. Jede Menge Energie, die einfach in den Weltraum geschleudert wird und frei zur Verfügung steht. Denken Sie daran, dass jeder Faktor zehn uns 100 Jahre weiterbringt. Hundert Milliarden sind elf Mal der Faktor zehn, also 1100 zusätzliche Jahre.“ 1400 + 1100 = 2500, die von mir angegebene Zahl. Dies beruht auf der Annahme, dass der durchschnittliche Stern in unserer Galaxie etwa so viel Energie wie unsere Sonne liefert; ich weiß nicht, ob das der Fall ist.

10 Es gibt eine offene Debatte darüber, ob Modeling the Human Trajectory die richtige Kurve für die historischen Daten der Vergangenheit beschreibt. Hier erörtere ich, wie die Debatte meine Schlussfolgerungen ändern könnte.

11 250 Verdoppelungen entsprächen einem Wachstumsfaktor von etwa 1,8*1075, mehr als 10.000-mal mehr als es Atome in unserer Galaxie gibt.

12 20 Jahre sind 240 Monate. Wenn sich die Weltwirtschaft in jedem dieser Jahre verdoppelt, wäre das ein Wachstumsfaktor von etwa 1,8*1072, also mehr als das Hundertfache der Anzahl der Atome in unserer Galaxie.

13 Das liegt an der oben erwähnten Beobachtung, dass die heutige Wachstumsrate nicht länger als weitere ungefähr 8200 Jahre (82 Jahrhunderte) andauern kann. Die einzige Möglichkeit, mehr als 82 weitere Jahrhunderte mit dem gleichen Wachstum wie heute zu haben, ist also, dass wir auch viele Jahrhunderte mit negativem Wachstum haben, ein Szenario,  wie es die gepunktete Zickzacklinie im Diagramm „So kann's nicht weitergehen“ zeigt.

14 Dieser Datensatz weist historischen Persönlichkeiten eine Bedeutung basierend darauf zu, wie oft sie in Nachschlagewerken erwähnt werden. Es enthält mehr als zehnmal so viele „Wissenschafts“-Einträge nach 1500 wie davor; der Datensatz beginnt im Jahr 800 v. Chr. Ich befürworte das Buch, aus dem dieser Datensatz stammt, nicht, da es meines Erachtens viele ungerechtfertigte Schlussfolgerungen aus den Daten zieht; hier unterstütze ich lediglich meine Behauptung, dass die meisten Nachschlagewerke unverhältnismäßig viele Einträge für Jahre nach 1500 enthalten.

15 Fairerweise muss man sagen, dass Nachschlagewerke wie dieses möglicherweise vornehmlich auf die jüngere Vergangenheit ausgerichtet sind. Aber ich denke, der Gesamteindruck, den sie in diesem Punkt vermitteln, ist dennoch zutreffend. Diese Behauptung wirklich zu belegen, würde den Rahmen dieses Beitrags sprengen, aber die Beweise, auf die ich hinweisen würde, sind (a) die Werke, auf die ich mich beziehe - Solltest Du sie lesen oder überfliegen, wirst Du wahrscheinlich einen ähnlichen Eindruck gewinnen; (b) die Tatsache, dass das Wirtschaftswachstum ein ähnliches Muster aufweist (obwohl die Explosion erst in jüngerer Zeit beginnt; ich denke, es ist intuitiv sinnvoll, dass das Wirtschaftswachstum dem wissenschaftlichen Fortschritt mit einer gewissen Verzögerung folgt).

16 Die in Der Duplikator zu diesem Punkt zitierten Arbeiten sagen explizit eine Innovationsexplosion als Teil der Dynamik voraus, die das explosive Wirtschaftswachstum antreibt.