Effektiver Altruismus: ArtikelMarch 17, 202300:05:313.81 MB

Du hast mehr als ein Ziel — und das ist völlig in Ordnung

von Julia Wise

Es ist schön, dass für viele Menschen Gutes zu tun ein wichtiger Teil ihres Lebens ist. In diesem Text geht es darum, dass es wichtig für die eigene mentale Gesundheit ist, auch weitere Ziele im Leben zu verfolgen und eine Balance zu finden.

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Wenn Menschen zum ersten Mal zu einer von Effektivem Altruismus geprägten Veranstaltung kommen, dreht sich das Gespräch oft um Projekte, die sie verfolgen, oder um Wohltätigkeitsorganisationen, an die sie spenden. Häufig werden diese Berichte mit einer gewissen Nervosität vorgetragen, einem bangen Gefühl, dass ihre wohltätigen Aktivitäten jeden Moment in das grelle Licht der Kosteneffizienz gerückt werden könnten. Fairerweise muss man sagen, dass diese Befürchtung durchaus berechtigt ist. Insbesondere in Kreisen jüngerer Effektiver Altruist:innen ist die Vorstellung verbreitet, dass sich alles im Leben um Kosteneffizienz drehen sollte. Auch ich habe einst diese Vorstellung geteilt. 

Kosten-Nutzen-Analysen sind ein sehr nützliches Instrument. Ich wünschte, mehr Menschen und Institutionen würden sie auf eine größere Zahl von Problemen anwenden. Aber wie jedes Instrument ist auch dieses kein Allzweckmittel für alle Lebensbereiche. Nicht alles, was Du tust, steht im Zeichen der „Wirksamkeit“. Schwer vorstellbar, wie so ein Leben aussehen würde.

Ich habe viele Ziele. Ich habe das Ziel, die Welt zu einem besseren Ort zu machen. Ich habe das Ziel, Zeit mit meinen Kindern zu genießen. Ich habe das Ziel, eine gute Partnerin zu sein. Ich habe das Ziel, tiefe Freundschaften zu führen und mich mit meiner Umgebung verbunden zu fühlen. Dies sind alles gute Ziele, aber eben nicht ein und dasselbe. Ich habe einen groben Plan dafür, wie ich meine Zeit und mein Geld zwischen ihnen aufteile: Am Sonntagmorgen mache ich Pfannkuchen für meine Kinder. Der Montagmorgen ist Arbeitszeit. Es hat keinen Sinn, diese Aktivitäten zu vermischen — also die Zeit mit meinen Kindern auf eine Weise zu verbringen, die meiner Arbeit zuträglich ist, oder meine Arbeit auf eine Weise zu erledigen, die meinen Kindern Spaß macht.

Wenn ich meiner Freundin, die Geld für ihren kranken Onkel sammelt, mit einer Spende helfe, verfolge ich damit ein Ziel. Aber es ist das Ziel, „meine Freundin unterstützen und unsere Freundschaft festigen“, nicht mein Ziel, „so viel Gutes tun wie möglich". Es erscheint mir deutlich besser, meine Entscheidungen in dem Wissen darüber zu treffen, welches Ziel ich verfolge. Es gibt keinen Grund mir Vorwürfe zu machen, dass dieses Geld nicht in effektive Kanäle zur Verbesserung der Welt fließt — das war nie der Zweck dieser Spende. Das Geld kommt aus meinem Budget für „persönliche Zufriedenheit“, dem gleichen „Topf“, aus dem ich einen Kaffee mit Freund:innen finanziere.

Ich zahle auch Geld in einen weiteren Topf ein, der dem Zweck dient, so effektiv zu spenden wie möglich. Wenn ich entscheide, was ich mit diesem Geld tun soll, knipse ich das helle Licht der Kosteneffizienz an und versuche, die Probleme der Welt auf die bestmögliche Art und Weise anzupacken. Dazu gehört, dass ich mir die Forschung zur Wirksamkeit verschiedener Maßnahmen ansehe und mich für diejenige entscheide, von der ich glaube, dass sie die Menschheit in ihrem Kampf gegen sinnloses Leiden, Krankheit und Tod am meisten voranbringt. In der Regel ist die Spitzenmaßnahme ein Projekt, zu dem ich vorher keinen persönlichen Bezug hatte und das sich so gar nicht in die Narrative meines Privatlebens einfügen mag. Und das ist auch gut so, denn die persönliche Suche nach Sinn ist hier nicht mein Ziel. Ist die Entscheidung erst einmal gefallen, kann ich sie im Nachhinein auf sinnstiftende Elemente abklopfen. Ob diese Suche erfolgreich ist oder nicht, hat jedoch keinen Einfluss auf meine ursprüngliche Entscheidung. 

Führe Dir beim Treffen von Entscheidungen klar vor Augen, welche Ziele Du verfolgst. Du brauchst nicht zu argumentieren, dass der von Dir gewählte Weg das Leid in der Welt am effektivsten verringert, wenn dein Ziel ein völlig anderes ist. Es ist in Ordnung, Deine lokale Kunstinitiative zu fördern. Sei es, um Dich vermehrt in der Gemeinde zu engagieren, einen Gefallen zu erwidern oder einfach weil ihre Arbeit Dir Freude bereitet. Solltest Du außerdem zum Ziel haben, die Welt so weit wie möglich zu verbessern, dann stell Dir die Frage, wie viel Zeit und Geld Du für dieses Ziel aufwenden willst, und versuche, diese Ressourcen so effektiv wie möglich einzusetzen.