Effektiver Altruismus: ArtikelApril 08, 202300:24:1616.69 MB

Globale Prioritätenforschung

von Roman Duda

Auf welche Probleme sollten wir unsere altruistische Bestreben fokussieren? Dieser Text ist eine Einführung in das Forschungsfeld, das sich dieser Frage teils empirisch, teils philosophisch nähert. Vor allem gegen Ende des Textes gibt es einige hilfreiche Informationen zu Forschungsorganisationen in diesem Bereich, falls du dich genauer mit globaler Prioritätenforschung befassen oder sogar selbst in dem Bereich tätig werden willst.

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Originalversion von 80,000 Hours. Die Übersetzung wurde im Februar 2023 abgeschlossen.

Wohin mit 450.000.000.000 Euro? 

Jahr für Jahr geben Regierungen, Stiftungen und Einzelpersonen über 450 Milliarden Euro für Anstrengungen aus, die Welt als Ganzes zu verbessern. Sie finanzieren die Krebsforschung, den Wiederaufbau von durch Naturkatastrophen verwüsteten Gebieten und Tausende anderer Projekte.

450 Milliarden Euro sind eine Menge Geld, aber reichen nicht aus, um alle Probleme der Welt zu lösen. Organisationen und Einzelpersonen müssen daher Prioritäten setzen und sich entscheiden, welche globalen Probleme sie angehen wollen. Möchte eine Stiftung beispielsweise das Leben anderer so weit wie möglich verbessern, sollte sie sich dann auf Migrationspolitik, internationale Entwicklung, wissenschaftliche Forschung oder etwas anderes konzentrieren? 

Sollte beispielsweise die indische Regierung, wenn sie die wirtschaftliche Entwicklung ankurbeln will, den Schwerpunkt auf die Verbesserung des Bildungs- und Gesundheitswesens, auf mikroökonomische Reformen oder etwas anderes legen?

Wie wir sehen werden, gibt es riesige Unterschiede in der Wirksamkeit von Interventionen, die auf die Lösung globaler Probleme abzielen. Aber von den 450 Milliarden Euro, die jedes Jahr ausgegeben werden, wird nur ein winziger Bruchteil (unter 0,01 %) für die Erforschung globaler Prioritäten (engl.: global priorities research) aufgewendet, d. h. dafür, herauszufinden, welche globalen Probleme am drängendsten und welche Lösungen am vielversprechendsten sind. Dieses noch junge Forschungsfeld konnte bereits die Verteilung von Hunderten von Millionen Euro beeinflussen. Weitere Forschung könnte dazu führen, dass Milliarden von Euro um ein Vielfaches effektiver ausgegeben werden. Daher sind wir der Meinung, dass dies einer der Bereiche ist, in dem Du mit deiner Arbeit am meisten bewegen kannst. 

Dieses Profil ist eine Zusammenfassung unseres vollständigen Forschungsberichts, für den wir acht Personen befragt haben, die an globaler Prioritätenforschung arbeiten.

Zusammenfassung

Regierungen, Stiftungen und Einzelpersonen geben große Summen für Anstrengungen aus, die Welt zu verbessern. Allerdings gibt es derzeit nur wenige Forschungsergebnisse, die Aufschluss darüber geben, auf welche Prioritäten man sich auf höchster Ebene konzentrieren sollte.

Die globale Prioritätenforschung wendet Techniken aus der Wirtschaft, der Mathematik und den Sozialwissenschaften an, um Organisationen bei der Entscheidung zu helfen, für welche globalen Probleme sie ihre begrenzten Ressourcen einsetzen sollten, um die Welt so weit wie möglich zu verbessern.

Unser Gesamteindruck

Die Forschung an globalen Prioritäten gehört zu den drängendsten Problemen.

Ausmaß

Wir sind der Meinung, dass die globale Prioritätenforschung sehr große positive Auswirkungen haben kann. Es erscheint plausibel, dass eine bessere Prioritätensetzung innerhalb internationaler Organisationen, gemeinnütziger Organisationen und Regierungen dazu beitragen könnte, die Gefahr des Aussterbens der Menschheit um 1 bis 10 % zu senken, die globale Wirtschaftsleistung um mehr als 10 % zu steigern oder den Erwartungswert der Zukunft auf andere Weise erheblich zu steigern.

Vernachlässigungsgrad

Dieses Thema wird stark vernachlässigt. Die derzeitigen Ausgaben belaufen sich auf 4,5 bis 9 Millionen Euro pro Jahr.

Lösbarkeit

Fortschritte bei der Erforschung globaler Prioritäten scheinen durchaus möglich, obwohl wir höchst unsicher sind, wie schnell sie zu erzielen sind. Wir schätzen derzeit, dass eine Verdopplung der Ausgaben in diesem Bereich uns vielleicht 1 % des vollen Nutzens einer besseren globalen Prioritätensetzung bringen würde.

Worum geht es bei der Forschung zu globalen Prioritäten?

Im Bereich der globalen Prioritätenforschung geht es darum, genau zu untersuchen, was die wichtigsten globalen Probleme sind, wie wir sie miteinander vergleichen können und welche Interventionen sie am effektivsten lösen. Wie vergleichen wir beispielsweise den Wert von mehr Arbeit im Bereich des Klimaschutzes mit dem der globalen Gesundheit und dem Verhindern künftiger Pandemien?

Wir könnten zwischen der grundlegenden Erforschung globaler Prioritäten einerseits und der angewandten Forschung zu globalen Prioritäten andererseits unterscheiden. 

Die grundlegende Forschung zu globalen Prioritäten liegt im Wesentlichen an der Schnittstelle von Wirtschaft und Moralphilosophie, kann aber auch Instrumente aus anderen Disziplinen einbeziehen. Sie befasst sich auf höchster Ebene mit der Frage, welche globalen Interventionen dem sozialen Wohl am dienlichsten sind, insbesondere auf langfristige Sicht. 

Das bedeutet, dass verschiedene Themenfelder untersucht werden. Einige Beispiele:

  • Wie wichtig ist es, existenzielle Risiken zu verringern? Wie stark sollten wir das im Vergleich zu anderen Interventionen gewichten?
  • Sollten wir eher breite Interventionen, die gegen verschiedene Probleme helfen, unterstützen, oder gezielte Interventionen, die ein Problem im Besonderen adressieren?
  • Welche Methodik können wir nutzen, um solche Fragen zu beantworten?

All diese Fragen sind relevant dafür, welche Probleme wir jetzt vorrangig angehen sollten, wenn wir so viel Gutes wie möglich tun wollen. Für mehr Informationen dazu, welche Fragen am dringendsten beantwortet werden sollten, siehe die vom Global Priorities Institute in Oxford erstellte Forschungsagenda und / oder einige Beispiele für Forschungsfragen, die 80,000 Hours zusammengestellt hat.

Die angewandte Forschung zu globalen Prioritäten versucht ebenfalls zu bestimmen, welche Prioritäten wir setzen sollten, konzentriert sich aber stattdessen auf die Erkenntnisse aus der Grundlagenforschung und deren Anwendung auf die jeweiligen Situationen, in denen wir uns gerade befinden. Wenn die Grundlagenforschung zum Beispiel ergeben hat, dass die Verringerung existenzieller Risiken oberste Priorität hat, könnte die angewandte Forschung die größten und am leichtesten zu vermindernden Gefahren (z. B. Klimawandel versus Pandemien) miteinander vergleichen. Oder nehmen wir an, wir wollten breit angelegte Maßnahmen verfolgen — welche davon wirken sich wirklich eindeutig positiv auf ein breites Spektrum von Problemen aus? Wie viel kosten sie? Eine weitere sehr wichtige Art der angewandten Forschung zu globalen Prioritäten ist das Untersuchen eines noch nicht ausreichend erforschten Problembereichs, um festzustellen, wie dringlich er erscheint.

Es gibt keine scharfe Trennlinie zwischen diesen verschiedenen Arten globaler Prioritäten, aber, ganz grob gesagt, wird die Grundlagenforschung eher in einem akademischen Umfeld wie dem des Global Priorities Institute stattfinden und die angewandte Forschung eher in Think Tanks, Philanthropie oder Organisationen  aus dem Effektiven Altruismus.

Wir halten beide Arten der globalen Prioritätenforschung für wichtig und werden sie in diesem Artikel gleichermaßen mit einbeziehen.

Warum an globaler Prioritätenforschung arbeiten?

1. Manche Probleme sind viel dringlicher als andere

Intuitiv könnte man meinen, wenn wir die Probleme der Welt nach ihrer Dringlichkeit einstufen und sie in ein Diagramm eintragen würden, ergäbe sich etwas wie: manche Probleme sind weitaus dringlicher als andere, aber die meisten sind ziemlich dringlich. Etwa so:

Doch als wir bei 80,000 Hours  unser Framework nutzten, um verschiedene Probleme einzuschätzen, stellten wir fest, dass es eher so aussieht: Einige Probleme sind viel dringlicher als andere:

So liegen in reichen Ländern wie den USA oder der Schweiz die Grenzkosten für die Rettung eines Lebens durch Ausgaben für die Gesundheitsversorgung bei über 900.000 Euro.1

Dagegen liegen die Grenzkosten für die Rettung eines Lebens in Subsahara-Afrika durch etwa die Verteilung von Anti-Malaria-Bettnetzen schätzungsweise unter 9.000 Euro.2

Dies lässt darauf schließen, dass eine Hilfsorganisation, die sich auf die Gesundheit in Entwicklungsländern und nicht in reichen Ländern konzentriert, etwa 100-mal so viele Leben retten könnte.

Wenn es so große Unterschiede in der Wirksamkeit gibt, ist die Suche nach den effektivsten Bereichen von enormer Bedeutung. So könnte die Identifizierung eines solchen Bereiches bedeuten, dass wir 10- oder 100-mal so viel erreichen. Eine schlechte Wahl könnte hingegen bedeuten, dass nur 1 % davon erreicht wird. Das Ziel der globalen Prioritätenforschung ist es, die Entscheidungsträger in die Lage zu versetzen, diesen Fehler zu vermeiden.

2. Vielleicht stoßen wir auf neue, noch dringlichere globale Probleme

Die Effektivitätsunterschiede zwischen verschiedenen Problembereichen könnten noch größer sein, wenn wir potenzielle Probleme einbeziehen, an die die Menschheit noch gar nicht gedacht hat. Tatsächlich ist es nicht unwahrscheinlich, dass schwerwiegende globale Probleme existieren, die bislang unerkannt geblieben sind.

Wenn wir uns die Geschichte der Menschheit ansehen, sehen wir viele Beispiele für große moralische Probleme, die den meisten Menschen seinerzeit keinerlei Kopfzerbrechen bereiteten. Dazu gehören Sklaverei, die Misshandlung von Ausländer:innen, die Unterdrückung von Frauen, die Verfolgung von Menschen, die nicht heterosexuell sind, und die Misshandlung von Tieren in der Massentierhaltung. Es ist unwahrscheinlich, dass wir die erste Generation sind, die alle schwerwiegenden moralischen Probleme entdeckt hat, was bedeutet, dass es wahrscheinlich große globale Probleme gibt, derer wir uns heute nicht einmal bewusst sind.

Die globale Prioritätenforschung könnte enorme Auswirkungen haben, wenn sie neue, dringliche und bislang unerkannte Probleme aufdeckt und Geld und Talente in ihre Bewältigung lenkt.

3. Milliarden von Euro könnten drängenderen Problemen gewidmet werden

Institutionen, deren erklärtes Ziel es ist, das Gemeinwohl zu fördern, geben jedes Jahr Billionen von Euro aus (bei einem weltweiten BIP von über 70 Billionen Euro und einem deutschen BIP von 3,6 Billionen Euro) — das meiste davon sind inländische Ausgaben von Regierungen. Zum Vergleich: Die Ausgaben für Entwicklungshilfe belaufen sich auf inzwischen etwa 150 Milliarden Euro pro Jahr und deutsche Privathaushalte spendeten 2022 knapp 6 Milliarden Euro.

Offizielle Entwicklungshilfe („Official Development Aid, ODA“) wird häufig als Indikator für die Ausgaben für internationale Hilfe verwendet. Hier ist das Volumen in Milliarden Euro (mit dem Preisniveau aus dem Jahr 2020) dargestellt. Quelle: OECD.

Privates Spendenvolumen in Deutschland. Quelle: Deutscher Spendenrat, S. 11.

Wahrscheinlich wird nur ein kleiner Teil dieser zig Billionen Euro wirklich darauf verwandt, die Welt so weit wie möglich zu verbessern. Der größte Teil dient vermutlich eher dazu, die Interessen einer bestimmten Gruppe (z. B. eines Wählerblocks innerhalb eines bestimmten Landes) zu fördern. Und nur ein kleiner Teil davon würde sich an qualitativ hochwertiger Forschung orientieren.

Wenn jedoch Milliarden von Euro auf Probleme umgelenkt werden könnten, die größer und vernachlässigter oder leichter zu lösen sind, könnte das einen riesigen Unterschied machen.

Aufgrund der massiven Effektivitätsunterschiede kann diese Forschung große Wirkung erzielen, selbst wenn sie die Allokation nur eines Bruchteils der Ressourcen beeinflusst. Ein Beispiel dafür ist die Forschung von GiveWell, einer Stiftung, die Wohltätigkeitsorganisationen vergleicht. Allein im Jahr 2015 hat ihre Arbeit dazu geführt, dass Einzelpersonen 14 Millionen Euro an die hocheffektive Against Malaria Foundation gespendet haben. Hierdurch wurden etwa 2.000 Leben durch die Verteilung von Moskitonetzen, die Menschen vor Malaria schützen, gerettet.3

Nur etwa 4 % der US-Spenden gehen an internationale Vorhaben. (Die meisten der durch GiveWell informierten Spenden wurden in den USA getätigt.) Daher ist es wahrscheinlich, dass der Großteil der von GiveWell verteilten 14 Millionen Euro an karitative Organisationen in den USA gegangen wäre, die im Durchschnitt weit weniger zur Verbesserung der Lebensbedingungen beitragen als Wohltätigkeitsorganisationen, die international arbeiten.

4. Ein stark vernachlässigter Bereich

Trotz der großen Bedeutung dieser Forschung wird Prioritätenforschung stark vernachlässigt. Organisationen, die sich mit dem direkten Vergleich verschiedener globaler Probleme befassen (z. B. der Verbesserung von Haltungsbedingungen in industrieller Massentierhaltung versus der Verhinderung eines Atomkriegs versus der Verbesserung wissenschaftlicher Forschung), verfügten 2015 über ein Gesamtbudget von weniger als 10 Millionen Euro pro Jahr:

Organisation

Geschätztes Budget im Jahr 2015 in Millionen Euro

Open Philanthropy

2,35

Future of Humanity Institute

0,7

Copenhagen Consensus Center

0,9 - 1,84

Centre for Effective Altruism

< 0,9

Summe

4,5 - 5,4

Es sei jedoch darauf hingewiesen, dass es durchaus auch Forschung gibt, die indirekt zur Festlegung globaler Prioritäten beiträgt, z. B. die Arbeit einiger akademischer Wirtschaftswissenschaftler:innen und Gruppen, die Studien durchführen und Daten zu bestimmten Politikbereichen zusammenstellen.

5. Bilanz über die Umwidmung von Hunderten Millionen Euro

Der Bereich der globalen Prioritätenforschung ist noch jung, aber er hat bereits einige Erfolge zu verzeichnen. Hier ein paar Beispiele:

  • GiveWell leitete im Jahr 2015 mindestens 35,8 Millionen Euro an Spenden von Einzelspendern an die von ihnen geprüften Wohltätigkeitsorganisationen weiter.4
  • Open Philanthropy (OP) beriet die Stiftung Good Ventures 2015 bei der Finanzierung wohltätiger Projekte in Höhe von insgesamt 69,1 Millionen Euro.5
  • Global Priorities Project: Das britische Ministerium für internationale Entwicklung vergab umgerechnet 3,2 Milliarden Euro zur Finanzierung von Forschung zur Behandlung und Bekämpfung der Krankheiten, die das meiste Leid verursachen. Das Global Priorities Project (GPP) setzte sich für diese Änderung ein (obwohl der politische Prozess natürlich viele Inputs hat, von denen das GPP nur ein kleiner Teil war).6
  • Copenhagen Consensus Center: seine Kosten-Nutzen-Analyse trug dazu bei, die Bush-Regierung der Vereinigten Staaten davon zu überzeugen, die 1,1 Milliarden Euro schwere President's Malaria Initiative ins Leben zu rufen — daneben sind viele weitere Erfolge zu verzeichnen.7
  • Das Future of Humanity Institute hat bereits Dutzende Organisationen in Regierung und Industrie zu potenziellen Problemen durch neue Technologien beraten, darunter die Vereinten Nationen, das Weltwirtschaftsforum, das US-Außenministerium, das britische Unterhaus und den britischen Premierminister.8

Was sind die Hauptargumente gegen die Dringlichkeit dieses Problems?

Die Forschung könnte zu schwierig sein

Man könnte meinen, dass die Forschung zu globalen Prioritäten aufgrund der vielen Unsicherheiten und großen Ermessensentscheidungen nicht in der Lage sein wird, unseren derzeitigen Kenntnisstand durch genauere Ergebnisse zu verbessern.

Vielleicht wird diese Forschung deshalb vernachlässigt, weil sie einfach zu schwierig ist.

Wir halten dies für eine berechtigte Sorge. Die wenigen Forschungsarbeiten zu globalen Prioritäten, die bisher durchgeführt wurden, haben jedoch bereits zu bedeutenden Fortschritten geführt, darunter:

Darüber hinaus gibt es noch viele „niedrig hängende Früchte“ für die Erforschung globaler Prioritäten. So könnten Forscher:innen beispielsweise Expert:innenmeinungen über die Schwere verschiedener globaler Probleme zusammentragen und vorhandene empirische Daten über das relative Ausmaß, den Grad der Vernachlässigung und die Lösbarkeit globaler Probleme sammeln.

Forschung könnte einfach ignoriert werden

Man könnte meinen, dass Politiker:innen und Geldgeber:innen nicht motiviert sind, die Ergebnisse der Forschung zu globalen Prioritäten zu berücksichtigen. Vielleicht geht es ihnen eher darum, ihre Wiederwahl zu sichern, oder sie reagieren stattdessen auf emotionale Appelle und vertrauen lieber auf ihr Bauchgefühl.

Dies ist eine berechtigte Sorge, aber wir glauben, dass, wenn gute Beweise vorgelegt werden, zumindest einige Akteure auf die Forschung hören.

Was wird am meisten gebraucht, um dieses Problem zu lösen?

Sehr dringend werden weitere Forscher:innen benötigt und zwar insbesondere:

  • Forscher:innen mit einer Ausbildung in Wirtschaft, Mathematik oder Philosophie, um die Methodik für die Festlegung globaler Prioritäten zu entwickeln.
  • In Sozial- und Naturwissenschaften ausgebildete Forscher:innen, die in der Lage sind, Daten zu sammeln und spezifische globale Probleme zu analysieren.

Zusätzliche  Forscher:innen würden nicht nur weitere Fortschritte bei diesen Fragen ermöglichen, sondern auch zeigen, dass dieser Bereich von akademischem Interesse ist, was in Zukunft weitere Forscher:innen anziehen kann.

Außerdem werden akademische Projektmanager:innen und Mitarbeiter:innen benötigt, die dabei helfen, bestehende Institute zu vergrößern und neue zu gründen.

Weiterhin werden auch finanzielle Mittel benötigt, die für die Ausweitung und die Gründung neuer Forschungszentren verwendet werden könnten. Darüber hinaus wären Stipendien für Einzelpersonen sehr sinnvoll, und es wäre gut, wenn sich eine Stiftung auf die Bewertung von Forschungsvorschlägen in diesem Bereich spezialisieren würde.

Was kann man konkret tun, um mitzuhelfen?

Der Einstieg

Wenn Du in diesem Bereich als  Forscher:in arbeiten willst, benötigst Du eine Ausbildung in einer der entsprechenden Disziplinen.

  • Sehr gut eignen sich Mathematik, Wirtschaftswissenschaften, Statistik oder analytische Philosophie. Außerhalb der Uni kannst Du Online-Kurse in diesen Fächern belegen, zum Beispiel diese Einführung in die Mikroökonomie.
  • Im Allgemeinen ist der beste Studienabschluss ein PhD in Wirtschaftswissenschaften. Das nächstbeste Fach ist Philosophie, gefolgt von Psychologie, wissenschaftlichen Fächern zu Technologien und Themen wie öffentliche Ordnung, Politikwissenschaft und internationale Beziehungen. Es gibt aber auch Absolvent:innen aus den Bereichen Mathematik, Informatik und Physik in der globalen Prioritätenforschung.
  • Um Dich auf den neuesten Stand zu bringen, solltest Du die Arbeiten von Organisationen lesen, die sich mit der globalen Prioritätenforschung befassen, z. B. die Cause Reports von Open Philanthropy.

Welche sind die besten Berufswege in diesem Bereich?

Wege in der Forschung

Das einzige große akademische Zentrum, das derzeit (2015) den Schwerpunkt auf diese Forschung legt, ist das Global Priorities Institute (GPI) der Oxford Universität. Wenn Du also einen Weg in die Wissenschaft einschlagen willst, ist das GPI derzeit der ideale Ort. Allerdings gehen wir davon aus, dass in den nächsten Jahren weitere Zentren eingerichtet werden und man entsprechende Forschung auch in anderen akademischen Positionen betreiben kann.

Ein Nachteil in der Forschung ist jedoch, dass man an Themen arbeiten muss, die gut publizierbar sind. Das sind oft nicht die Themen, die für reale Entscheidungen am relevantesten sind. Das bedeutet, dass es auch wichtig ist,  Forscher:innen zu haben, die anderswo an praktischeren Fragen arbeiten.

Wir glauben, dass Open Philanthropy das führende angewandte Zentrum für diese Forschung ist. Der Vorteil davon, dort zu arbeiten, besteht darin, dass gewonnene Erkenntnisse direkt in die Verwendung von Milliarden von Euro einfließen (Hinweis: 80,000 Hours wird von OP finanziert). Du kannst diese Forschung jedoch auch bei anderen Organisationen des Effektiven Altruismus betreiben. 80,000 Hours betreibt zum Beispiel eine Art angewandte Forschung zu globalen Prioritäten, die sich auf die Wahl der Berufslaufbahn konzentriert.

Es gibt auch Personen, die unabhängig zur Forschung beigetragen haben, wie Carl Shulman. Diese  Forscher:innen beginnen oft mit einem Blog und nehmen dann freiberufliche Aufträge von Geldgebern und Organisationen an. 

Wege außerhalb der Forschung

  • Tätigkeit als akademische:r Manager:in, Forschungsleiter:in oder in einer anderen unterstützenden Rolle bei Organisationen, die globale Prioritätenforschung betreiben (siehe unten).
  • Arbeit in einem gut bezahlten Job, um durch Spenden die Forschung der oben genannten Gruppen zu finanzieren. Hier einige Vorschläge, wie das gelingen kann.

Mehr dazu findest du in den Artikeln Jobs in global priorities research und wie du mithelfen kannst.

Bei welchen Organisationen könntest Du arbeiten?

Uns ist nur eine kleine Anzahl von Gruppen bekannt, die versuchen, globale Probleme auf höchster Ebene zu vergleichen (z. B. Klimawandel versus globale Gesundheit). Unsere wichtigsten Empfehlungen sind:

  • Open Philanthropy, das Good Ventures, eine Milliarden Euro schwere Stiftung, zur Philanthropie berät. Siehe offene Stellen. (Hinweis auf Interessenkonflikt: 80,000 Hours wird von OP finanziert.) Du könntest auch in Betracht ziehen, bei Open Philanthropys Partnerorganisation, GiveWell, zu arbeiten, die Forschungsschwerpunkte im Bereich der internationalen Entwicklung setzt.
  • Das Global Priorities Institute in Oxford ist das führende akademische Forschungszentrum, das sich mit diesem Thema beschäftigt (80,000 Hours’ Mitbegründer Will MacAskill ist dort als Forscher tätig). Siehe offene Stellen.
  • Die Forethought Foundation, deren Direktor Will MacAskill ist, unterstützt die Forschung zu globalen Prioritäten durch die Vergabe von Stipendien und Forschungsgeldern.
  • Das Future of Humanity Institute, das sich mit makrostrategischer Forschung befasst, um die langfristigen Ergebnisse gegenwärtiger Maßnahmen zu analysieren.

 

Andere einschlägig tätige Organisationen: 

 

Ein breiteres Spektrum von Gruppen betreibt Forschung in spezifischen Politikbereichen. Diese Bereiche sind deutlich weniger vernachlässigt, ergänzen die globale Prioritätenforschung jedoch auf bedeutende Weise:

 

Im Job board von 80,000 Hours gibt es auch Jobs im Bereich der globalen Prioritätenforschung. Ebenso bietet 80,000 Hours in Einzelgesprächen Beratung dazu, wie man seine berufliche Laufbahn nutzen kann, um Gutes zu tun. 

Wohin spenden, um die Erforschung globaler Prioritäten zu unterstützen?

Du kannst an die meisten der oben genannten Organisationen spenden, wobei derzeit das Global Priorities Institute die beste Option zu sein scheint (Spenden sind unten auf dieser Seite möglich), gefolgt vom Future of Humanity Institute (das bereits gut ausgestattet ist). Open Philanthropy ist derzeit nicht auf weitere Finanzierung angewiesen.

 

Erfahre mehr

Top-Links, um mehr über globale Prioritätenforschung zu erfahren (auf Englisch)

80,000 Hours Podcastepisoden mit Forscher:innen im Feld der globalen Prioritätenforschung (auf Englisch)

  • Ajeya Cotra über Weltanschauungsdiversifizierung und über das potenzielle Ausmaß der Zukunft
  • Christian Tarsney über „Future-Bias“ und eine mögliche Lösung für moralischen Fanatismus
  • Hilary Greaves über moralische Unsicherheit, Populationsethik, Wahrscheinlichkeitstheorie im Multiversum und wie man im akademischen Raum zu den wichtigsten Forschungsfragen arbeiten kann
  • Toby Ord über sein Buch The Precipice und mögliche Zukünfte der Menschheit 
  • Will MacAskill zu der moralischen Frage, ob man je sein Haus verlassen sollte, dazu, ob unsere Zeit ein geschichtlicher Dreh- und Angelpunkt ist und die Kultur der Effektiven Altruismus-Bewegung
  • Will MacAskill über die Balance zwischen Frugalität und Ehrgeiz, ob wir Longtermism brauchen und mentale Gesundheit
  • Phil Trammell über „geduldige Philanthropie“
  • Andreas Mogensen über die Frage, ob Effektiver Altruismus nur etwas für Konsequenzialisten ist
  • Marcus Davis über Rethink Priorities

Andere Artikel und Podcasts zur globalen Prioritätenforschung (auf Englisch)

1 Tabelle 1, Seite 60 in Robert E. Hall und Charles I. Jones, „The value of life and the rise in health spending.“ The Quarterly Journal of Economics 122.1 (2007): 39-72. Archivierter Link.

Tabelle 3, Seite 147 in Stefan Felder und Andreas Werblow, „The Marginal Cost of Saving a Life in Health Care: Age, Gender and Regional Differences in Switzerland.“ Swiss Journal of Economics and Statistics (SJES) 145.II (2009): 137-153. Archivierter Link.

2 „Wir schätzen, dass es die Against Malaria Foundation ungefähr 6.800 Euro (einschließlich Transport, Administration etc.) kostet, ein menschliches Leben zu retten.“ Archivierter Link.

3 GiveWells Aufstellung über die Wirkung ihrer Arbeit.

4 Seite 6, GiveWells Kennzahlenbericht 2015.

5 Seite 2, GiveWells Kennzahlenbericht 2015.

6 Neue britische Entwicklungshilfe-Strategie — Priorisierung von Forschung und Krisenreaktion.

7 Copenhagen Consensus — unser Einfluss.

8 Future of Humanity Institute — unterstütze unsere Arbeit.